Gott essen

Anselm Schubert
Gott essen. Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls
C. H. Beck Verlag München 2018
Hardcover mit Schutzumschlag 271 S.
24,95 Euro
ISBN 978-3-406-70055-2

Eine nach nichts schmeckende Weizenoblate, kein Schluck Wein – so sieht die Kommunion der Gläubigen noch immer in den meisten katholischen Gemeinden aus. Das entspricht durchaus alten theologischen Vorstellungen; Cyrill von Jerusalem (Gedenktag am 18. März) mahnte in einer Katechese an die Täuflinge mit Blick auf Psalm 34 („Schmeckt und seht …“): „Urteilet nicht nach dem Gaumen, sondern nach dem festen Glauben!“ – Dass dies in der Geschichte der Kirche durchaus anders war, im ökumenischen Vergleich auch anders ist und in der Zukunft sich auch wieder ändern mag, zeigt des hochinteressante Buch von Anselm Schubert „Gott essen. Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls“.

Der Umgang mit der eucharistischen Materie Brot und dem Wein war in der Antike vielfach unbefangener als heute, mitunter auch bedingt durch das Vordringen der christlichen Liturgie in Regionen, in denen beide Materien fremd erschienen. Erst ab dem Mittelalter wurde auch der Anspruch an die Qualität erhöht. Im Westen setzte sich der Brauch durch, nur noch ungesäuertes Brot zu verwenden. Bis dahin war es auch nicht selten, dass man Salz oder Hefe dem Teig beigab, der mitunter aus Gerstenmehl bereitet wurde. Die theologische Festlegung auf Weizenmehl geschah im Hochmittelalter, das auch auf andere Weise die Eucharistiekultur bis heute nachhaltig prägte. Mit der Reinheit des Weines blieb es lange problematisch; man benutzte mancherorts bis ins späte Mittelalter ein liturgisches Sieb, um sie einigermaßen sicherzustellen. Mit der Reformation tauchten erneut Fragen nach der Beschaffenheit des eucharistischen Brotes und Weines auf, die auch die Praxis beeinflussten. Nach calvinistischer Ansicht ist die Materie des Abendmahls, da sie ohnehin nur Zeichencharakter hat, ins Belieben der Kirche gestellt. Mit der zunehmenden Kolonisierung und Missionierung war die Kirche auch vor Herausforderungen gestellt, da es Weizen und Traubenwein außerhalb Europas kaum gab: Können die Neubekehrten in Indien oder China das Sakrament der Eucharistie überhaupt verstehen? In jüngster Zeit gehen Fragen eher nach glutenfreien Hostien (für zöliakiekranke Gläubige) oder Traubensaft anstelle von Wein für Alkoholkranke.

Anders als in der katholischen Kirche kann aus theologischen Gründen in den evangelischen Kirchen dem „Schmeckt und seht“ mehr Raum gegeben werden; aufschlussreich ist, was das evangelische „Zeremoniale für den Gottesdienst“ (2004) rät: „Zur Feier des Abendmahls gibt es verschiedene Arten von B[rot]. Die weißen Oblaten … schmecken u. U. auch süßlich und erinnern an das ‚Manna‘, trotzdem lassen sie kaum den Gedanken an wirkliches Brot zu und verdunkeln darum die Materie des Sakramentes. Viel geeigneter erscheinen die dickeren, bräunlichen ‚Brothostien‘, die nach Brot schmecken und duften, sofern sie nicht zu lange lagerten. […] Vorteile von Oblaten und Brothostien sind die leichte Austeilbarkeit, das Vermeiden von Krümeln sowie die leichtere Möglichkeit, Übriggebliebenes aufzubewahren und bei der Krankenkommunion zu verwenden. Noch bessere Angemessenheit der Materie stellt jedoch ein wirklich gebackener Brotlaib dar. Die lutherische Tradition bevorzugt zwar ungesäuertes B[rot], gibt aber jeder Form von B[rot] Raum. Völlig ungeeignet ist Weißbrot wegen des Krümelns und des indifferenten Geschmacks. Kräftiges, duftendes Schwarzbrot erscheint geeigneter. Eine schöne Möglichkeit bietet ein von Gemeindegliedern für das Abendmahl gebackener Brotlaib von hellerer Farbe und flacher Form … Als Zeichen ‚menschlicher Arbeit‘ (Gabenbereitungsgebet) drückt ein selbst gebackener Brotlaib jedenfalls am besten die Materie des Sakraments aus.“ –

Es stellt die Ausnahme dar, wenn hinsichtlich der Materie der katholischen Messfeier auch auf das Gustative geachtet wird; der katholische Geistliche Anno Sterzenbach bemängelte in der Zeitschrift „Gottesdienst“: „Hostienprodukten aus Weizenauszugsmehlen fehlt es fast immer an den Charakteristika frischen Brotes: Duft, Geschmack, Farbe und Kruste.“ Er plädiert für Brot, das im Rahmen der katholischen Möglichkeiten eigens gebacken wird. –

„Visus, tactus, gustus in te fallitur …“ (Th. V. Aquin): Es lohnt sich, auch dem Geschmack der Eucharistie nachzuspüren. Der Kirchenhistoriker Anselm Schubert (Erlangen) hat ein fesselndes Buch zur Geschichte der eucharistischen Materie geschrieben, das zeigt, dass das „Schmeckt und seht“ in der Geschichte der Kirche durchaus immer eine Rolle gespielt hat und hoffentlich auch wieder spielen wird.

 

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