„Rauchen, essen, tumultieren …“ | Projekt „Schlechtes Benehmen im Gottesdienst“

Als Johann Gottlieb Fichte Professor in Jena war, trieben es die Studenten im akademischen Gottesdienst arg: Sie knackten Nüsse, aßen Äpfel, rauchten Tabak und vertrieben sich die Zeit so gut sie konnten. Für heutige Zeit fast unvorstellbar, aber bis in nicht allzu lang zurückliegende Zeit gab schlechtes Benehmen wie „Tumultieren und Geräuschtreiben“ in Gottesdiensten und Kirchen immer wieder Anlass zu Klagen und Strafen. Auch heute müssen noch vielerorts Kirchenbesucher darauf hingewiesen werden, was dem heiligen Raum nicht angemessen ist: Hunde, Eisschlecken, Handys, unpassende Bekleidung …

Es gibt freilich durchaus Unterschiede: In katholischen Gottesdiensten und Kirchen ist das Essen und Trinken nicht erlaubt; in evangelischen Kirchen hingegeben wird bisweilen sogar das Abendmahl im Rahmen eines Frühstücks oder Abendessens an Tischen in der Kirchen gefeiert. Tiere, besonderes Hunde, waren bei Gottesdiensten in früheren Jahrhunderten nicht selten anzutreffen – und das Schnupfen und Tabakkauen war vielerorts lange üblich.

 

Welches Benehmen gilt dem Gottesdienst und seinem Raum als unangemessen? Welche situativen, zeitlichen und konfessionellen Unterschiede gibt es?

Was haben Sie schon erlebt, was ist für Sie unakzeptabel?

  • Essen und Trinken während des Gottesdienstes
  • Mit Eis oder Essen / Wasserflasche Kirche betreten
  • Kaugummi / Bonbons kauen
  • Rauchen / Tabak schnupfen
  • Kartenspielen / Bücher / Zeitung lesen
  • Handy / Smartphone benutzen
  • Filmen / Fotografieren
  • Herumlaufen / Kirchenbesichtigung während des Gottesdienstes
  • Laute Gespräche, Lachen, Witze machen
  • Basteln, malen
  • Klatschen
  • Tiere mitbringen
  • Betteln
  • Unterlassen von Reverenz gegenüber dem Allerheiligsten
  • Bei der Kommunion die Hostie in die Tasche stecken o. ä.
  • Ungeziemende Kleidung
  • Männer (Jungen), die Kopfbedeckung aufbehalten
  • Sitzen zu unpassender Gelegenheit; mit übereinandergeschlagenen Beinen, Lümmeln
  • Hände in den Hosentaschen
  • Umherrennen
  • Schmusen, Küssen etc.
  • Schlafen in der Kirchenbank
  • Spucken, Erbrechen, Urinieren

wird laufend ergänzt …

Gründe

  • Woher kommt Ihrer Meinung nach ein zu beobachtendes schlechtes Benehmen im Gottesdienst oder im Kirchenraum?
  • Nimmt das eher zu? Seit wann?
  • Was sollte geschehen?

Reaktionen

  • Wie reagiert die Gemeinde?
  • Wie reagiert der Priester?
  • Wie reagieren (bei der Kommunion) die Kommunionhelfer?
  • Wie reagieren Sie selbst?
  • Gibt es Hinweisschilder, Plakate oder Handzettel mit Verhaltensregeln?
  • Gibt es gelegentlich Predigten, in denen der Gottesdienst selbst Thema ist?

Situationen und Anlässe

  • Gibt es bestimmte Gottesdienste, in denen schlechtes Benehmen besonders auffällt? Welche sind das?
  • Gibt es bestimmte Personengruppen, die zu schlechtem Benehmen neigen?
  • Erleben Sie das auch bei den liturgischen Diensten?

 

Schreiben Sie uns:

info@liturgieundalltag.de

 

Aus Zusendungen:

Neben dem, was in dem kurzen Artikel (in der Zeitschrift „Gottesdienst“)  schon aufgeführt wird, ist mir manchmal die Unaufmerksam des Zelebranten ein Dorn im Auge. So spricht der Zelebrant während der Lektor die Lesung vorträgt, mit dem Diakon oder den Messdienern und lacht auch hier oder da leise dabei. Darauf angesprochen, dass dies als extrem störend empfunden wird, erhielt ich die Gegenfrage „Sieht man das?“  Auch kann ich sehr wenig damit anfangen, wenn der Zelebrant die Gemeinde fragt „Habe ich schon den Segen gegeben?“ Das ist einfach unmöglich. Werden die Messdiener beim Einführungsgottesdienst gesegnet, so wird dies angekündigt mit den Worten: „Damit ihr euren Job gut macht, mache ich euch jetzt nass“. Gespräche mit ihm über sein Verhalten sind sehr schwierig, denn er fühlt sich sehr schnell angegriffen. (St. Ebus, Hennef)

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Nun noch was zu den liturgischen Hauptagierenden. Es ist doch kein gutes Beispiel, wenn ein Priester am Altar oder ein Diakon neben ihm fast die ganze Hl. Messe über mit hängenden Armen dasteht und die Gläubigen ziemlich unverhohlen und anhaltend beäugt. Sollten diese Zelebranten nicht wenigstens andeutungsweise die Hände falten und die Gemeinde vielleicht etwas unauffälliger im Auge behalten?  (B. Wenzel, Stuttgart)

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Sehr geehrte Damen und Herren,

hier meine zusammengefassten Eindrücke im GD:

Eltern kommen mit 2 Kindern, ca. 4 bis 6 J.: die Kinder packen sofort ihre Malsachen aus, benutzen die Sitze als Malunterlage, zeigen ihre Bilder hoch und reden während des gesamten GD, auch laut bei der Predigt, es ist sehr störend. Die Eltern machen keine Anstalten auf die Kinder einzuwirken, dass Ruhe einkehrt. Auch der Priester sagt nichts …

In einer Andachtsstunde abends um 19 h im Winter – vor dem Allerheiligsten – konnte ich erleben, wie eine junge Mutter (ca. 20J.) mit ihrem Säugling – es trug keine Kopfbedeckung und war in einer Schlinge am Arm –  die Andachtsstunde störte: das Baby schrie und weinte, die Mutter stillte es auf der Sitzbank in der Kirche, das Baby schrie trotzdem weiter, ewig lang. Alle Anwesenden taten so, als würden sie nichts bemerken, ich ging dann zur Mutter und habe sie gebeten, das Kind doch nach Hause zu bringen und ins Bett zu legen.

Frage: warum sind die Menschen heutzutage nicht mehr zur Andacht in der Kirche fähig???

Dies sind meine Eindrücke, ich bin als Kind zur Andacht erzogen worden – auch der Pfarrer in unserer kleinen Gemeinde legte Wert darauf und sorgte für Ruhe in der Kirche. (11. 2. 2016)

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 Als Sakristanin bekomme ich sehr vieles mit, das ich in der Kirche so nicht akzeptieren kann.

Oft habe ich den Eindruck, dass die Leute überhaupt nicht mehr wissen, wo sie sich befinden und wie man sich da zu verhalten hat.

Ich habe vor einiger Zeit folgendes erlebt: Es war während des Gottesdienstes am Sonntag. Besagte Person, es ist eine Russlanddeutsche, nahm eine große Wasserflasche aus der Tasche und trank daraus, während am Altar die Hl. Messe gefeiert wurde. Die Russlanddeutschen haben meiner Meinung nach überhaupt kein Gespür wo sie sich befinden, denn sie unterhalten sich laut in der Kirche und auch während des Gottesdienstes.

Allerdings kann man auch bei unseren „sogenannten guten Katholiken“ erleben,

dass sie nach der Hl. Messe laut redend noch in der Kirche sitzen, obwohl wir die Möglichkeit eines großen Kirchenvorraumes und eines Kreuzganges, sowie einen Kirchenvorplatz haben.

An unserer Kirchentür hängt seit langer Zeit schon ein Hinweis mit der Bitte: Wir bitten um Stille in der Kirche. Das wird vollkommen ignoriert. Besonders schlimm ist der Lärmpegel immer vor großen Gottesdiensten, seien es Schul – oder Kindergartengottesdienste, auch vor Erstkommunion – und Firmfeiern, sowie vor der Osternacht und den Weihnachtsgottesdiensten. Ich habe durch das Mikrofon um Ruhe gebeten. Das ist dann ein Augenblick still und dann geht es wieder los. Zum anderen hatten wir vor einer Erstkommunionfeier Schilder in der Kirche und auch an den Kirchentüren aufgestellt mit der Bitte um Ruhe. Es war zwecklos. Ich komme mir dann meistens vor wie im Kino oder in der Markthalle. Ich habe es aber auch so und ähnlich in anderen Gemeinden erlebt z. B. in Berlin.

Ein andere Punkt ist, dass die Eltern für ihre Kindern oft viel Spielzeug mit in die Kirche bringen. Lernen da die Kinder, wie man sich im Gottesdienst zu verhalten hat? Da ist doch die Kirche für die Kinder mehr oder weniger ein „Spielraum“. Wir sind in der guten Lage einen Kinderbetreuungsraum in unserem Gemeindezentrum zu haben, aber er wird nicht regelmäßig genutzt. Ein Manko besteht darin, dass sich mehr oder weniger keiner findet, der die Kinder während der Gottesdienste betreut. Vor Jahren lief das schon mal besser, aber das waren alles ältere Leute, die dann aufgehört haben.

Was noch dazu kommt und ich des öfteren beobachtet habe, dass die Kinder mit Plätzchen und dergleichen gefüttert werden und auch ihre Trinkflaschen dabei haben.

Ich frage mich, wo ist unsere Kirchenkultur hingekommen? Es ist nicht mehr das, was ich mal von klein auf gelernt und bei meinen Eltern und Großeltern erlebt habe. Eigentlich hört man vor der Kirchentür auf zu reden und bedenkt das, was man nun tun will. Hier erlebe ich es genau umgekehrt: Jeden Sonntagmorgen kommen die gleichen Leute laut schwatzend in die Kirche, unterhalten sich am Tisch mit den Vermeldungen usw. Ich habe vor längerer Zeit diese „Schwatztanten“ mal ermahnt und ihnen versucht aufzuzeigen, wo sie sich befinden. Es sind ja auch schon oft Leute in der Kirche, die sich dem Gebet widmen. Die haben gesagt, endlich sagt mal jemand was. Am folgenden Sonntag das gleich Geschwatze. Eigentlich müsste mal eine Predigt über dieses Thema gehalten werden, denn die Leute merken ja überhaupt nicht mehr, wo sie sind.

Natürlich ist es anders, wenn die Tannenbäume aufgestellt werden müssen. Unsere Männer sprechen dabei nur das Nötigste und ziemlich leise. Darin sehe ich den Unterschied, dass sie wissen, wo sie sich befinden.

Wenn eben möglich halte ich es so, wenn ich in der Kirche angesprochen werde, dass ich dann die Leute mit in die Sakristei nehme. (6. 2. 2016)

 

 

Litararisches

In den Kirchen Spaniens gibt es nur an den Seitenwänden Bänke für kranke und schwächliche Personen; alle Übrigen knieen größtentheils auf Strohmatten; die Männer legen sich auch wohl ihre Mäntel unter, und die Frauen kauern mit untergeschlagenen Füßen neben einander. Auf den Kanarischen Inseln kauern die Frauen niederen Standes; die vornehmeren Damen lassen sich von ihren Dienern Stühle in die Kirche nachtragen, und die Männer lehnen sich, in den Mantel gehüllt, an die Mauern und Pfeiler, und rauchen auch wohl, wenn es unbemerkt geschehen kann, ihre Cigarren, während die ganze Messe hindurch Kinder und Hunde in der Kirche herumlaufen. (Heinrich Alt, Der christliche Cultus nach seinen verschiedenen Entwickungsformen und seinen einzelnen Theilen historisch dargestellt – Berlin 1843.)

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Im Münster sah es entsprechend aus. Man konnte da nicht selten weltliche Herren, ja die Mitglieder des Hochstiftes in Jagdkleidern, den Falken auf der Faust, mit einer Meute von Hunden erblicken. Die Richter, denen ein besonderer Platz reserviert war, gaben da den Bürgern Audienz und sprachen Recht. Man spazierte und plauderte selbst während des Chordienstes. Um den Umweg zu sparen. wurden Lasten jeder Art, selbst junge Schweine durch die Kirche getragen. (Theodor Dreher: Das Tagebuch über Friedrich von Hohenzollern, Bischof von Augsburg [1486–1505], historisch erläutert und zum Lebensbilde erweitert. – Sigmaringen 1888.)

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Obwohl ich in meiner Heimatpfarre Ministrant war, keinen Sonntag und keinen Feiertag ohne Kirchenbesuch verstreichen ließ, an vielen Gebetsstunden, vor allem Totenwachen teilnahm, ging ich später zu keinem Schulgottesdienst der Welser Vorstadtpfarre mehr, nachdem ich dort einmal das für mich völlig inakzeptable Benehmen der Schüler, die in den Kirchenbänken rempelten und sich eher wie auf dem Fußballplatz aufführten, erlebt hatte. Und ich will auch heute von meinen Söhnen nicht hören und erzählt bekommen, wie sich wieder einige beim Eröffnungsgottesdienst aufgeführt haben. Schade um die vertanen Gelegenheiten, sich zu sammeln, ruhig zu werden, die Heiligkeit des Sakraments zu erleben, der allgegenwärtigen Banalität zu entfliehen … All das vergönnen jene Störenfriede weder sich noch anderen, denen sie Andachtsfreude verderben und vergällen.

Es gibt viele religiöse und auch praktische Gründe für gutes Benehmen in der Kirche! Das gälte meiner Ansicht nach nicht nur für das Kirchenbesuchen, sondern auch für das Kirchebesichtigen. Ich würde, wäre ich Rektor einer wertvollen Kirche, von den Besuchern weniger Eintrittsgeld verlangen, als vielmehr eine Aufnahme- oder Einlaßprüfung. Wer die Kirche betritt, müßte etwa bei einem Ostiarier die Kenntnis jener fünf Gebete der Christenheit, die im Weißenburger Katechismus aus dem 9. Jahrhundert zusammengefaßt sind, nachweisen. Ob einer nun das Athanasianische, das Apostolische oder das Niceno-Constantinopolitanische Credo oder Symbolum aufsagen oder beten möchte, würde ich dahingestellt sein lassen. Aber so ganz ohne Anstrengung sollte man ein Gotteshaus nicht betreten dürfen. (Alois Brandstetter, aus: Schönschreiben  – Salzburg und Wien 1997, 101)

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