„Sonntag ist Eß-Tag“ oder „Der Sonntag ist schön“

In den Sommermonaten Juli und August sind vor allem Sonntage die großen Feste des Kirchenjahres – abgesehen von einigen, aber eher regional hochgehaltenen Festen wie der Aufnahme Mariens und den Himmel (15. August). Das ist kein Ersatz: der Sonntag ist der „Urfeiertag“, als „Erster Tag der Woche“ der ursprüngliche Festtag und die älteste christliche Feier überhaupt. Die Bedeutung als „Wochenostern“, als Erinnerung an den Tag, da Christus nach den Angaben der Evangelien von den Toten erstand, drückt sich nicht nur in der Liturgie, sondern auch im Alltag aus. Besonders im Essen und Trinken war der Sonntag stets herausgehoben – Begriffe wie „Sonntagsbraten“ oder „Sonntagskuchen“ zeigen dies noch, auch wenn inzwischen Fleisch etwa von vielen Menschen fast jeden Tag genossen werden kann.

Wie sich neben der kirchlichen geradezu eine „gastronomische Liturgie“ am Sonntag entwickelte, das zeigt der Journalist und Autor Jean Egen in seinem auch verfilmten Roman „Die Linden von Lauterbach“ – Kindheitserinnerungen aus dem Elsass.

„Am Sonntag ehrt das Elsass den Herrgott in allen Kirchen und Tempeln, mehr aber noch in allen Tempeln, mehr aber noch in allen Küchen und Stuben. Sonntag ist Eß-Tag. Das Mahl beginnt immer auf eine sehr einfache Weise, mit einer Fleischsuppe. Diese ist Tradition. Für diesen Tag backen die Bäcker die ,Bangala‘, und diese , Bengelchen’ sind lange, fast schwarz gebrannte Semmeln, die die Fleischbrühe bernsteinfarben machen. Zum Rindfleisch aus der Suppe wird Meerrettich gereicht; wohl wird dieser mit Sahne gemildert, aber er brennt doch wie Phosphor im Mund, er beizt die Stirnhöhlen, man spürt feurige Tränen in den Augen, der Genuß ist fast nicht durchzustehen; aber es ist eben ein Genuß. Meerrettich ist nur das , enfant terrible‘ unter den vielen Salaten, die zum unerläßlichen Geleit eines ehrlichen Suppenfleisches gehören: rote Radieschen, schwarzer Rettich, Selleriewurzel, Kresse, Tomaten, Gurken und andere Rohkost , die dem Geschmackssinn schmeicheln und ihn auf Kommendes vorbereiten. An hohen Festtagen kommen im zweiten Gang Fleischpastete, Forellen oder Rheinsalm. An gewöhnlichen Sonntagen gibt es nur ein zweites Fleischgericht, Braten, Huhn oder noch Hasen-, Reh-, Wildschweinpfeffer, wenn Jagdzeit ist. Gewöhnlich gibt es Nudeln dazu, aber keine aus der Fabrik, ,Salbschtg’machti‘, von der Hausfrau selbst ausgerollt und geschnitten, zum Trocknen aufs Bett gelegt, und davon bleibt keine einzige übrig. Dann kommt der Käse, nur eine Sorte, denn Papa sagt, der Münsterkäse sei ein König, der mit keinem teile … Das wird alles vom frühen Morgen an hergerichtet, keine Küche, wo nicht die Hausfrau emsig schafft, kein Herd, auf welchem nicht die Fleischsuppe brodelt, keine Röhre, in der nicht ein Fleisch gart. Und die Kuchen duften, und der Geist des Münsterkäses weht, eine gastronomische Liturgie am Rande der religiösen, die herrlichen Küchendüfte mischen sich zum Weihrauch, dass ich jetzt meine Nase nicht dran hindern kann, sie zu würdigen. Und so aufmerksam wird sie, meine Nase, dass ich mich dabei ertappe, in das ‚Gegrüßet-seist-du’ die Hoffnung einließen zu lassen, es möge bald Tischzeit sein.“

Ganz ähnlich beschreibt es Josef Holub in seinem autobiographisch gefärbtem Jugendbuch „Der rote Nepomuk“. Es verwundert nicht, dass in diesen auch liturgischen Zusammenhängen der Blick gern zurück schweift: Die beschriebenen Ausdrucksformen der Alltagsfrömmigkeit sind in unserer Zeit vielfach verloren gegangen.

„Der Sonntag ist ein anderer Tag, ein besonderer. Er beginnt schon viel schöner, mit einem Striezel oder Gugelhupf und zwei richtigen Kaffeebohnen im Malzkaffee. Dann gehen die meisten Menschen in die Kirche.

In der Kirche gibt es eine Männer- und eine Frauenseite. Dort sitzen die Frauen. Außer ganz vorne. Da stehen die kleinen Schulkinder. Die dürfen nicht sitzen. Erst wenn sie in die Bürgerschule gehen, sitzen sie auch, aber auf der Treppe zum Chor, wenn Platz ist. Weil man einige zum Orgeltreten braucht. Hier sind auch die Männer und hinten bei der Tür, damit sie zwischendurch hinauskönnen, um eine Pfeife zu rauchen oder wenn die Predigt zu lange dauert. Der Herr Dechant predigt schon eine  halbe Stunde, und er findet das Amen nicht. […]

Ich muß an das gute Essen denken. Das Sonntagsessen fängt bei den meisten Menschen mit einer Leberknödelsuppe an. Dann gibt es ein Stück Rindfleisch mit Kren. Die Hauptsache ist der Schweinebraten. Der ist rundherum so knusprig und zart, daß das Messer nur wegen dem Renommee auf dem Tisch liegt. Dazu essen wir Knödel. Es gibt Semmelknödel und andere. Die anderen heißen wollene, baumwollene und noch wie. Es kommt dabei sehr darauf an, wieviel Erdäpfel in welcher Form verarbeitet werden müssen. Die gekochten oder rohen  Erdäpfel werden mit dem Reibeisen oder anderswie kleingemacht, zu entsprechenden Kugeln gemanscht und nicht zu hart und nicht zu weich gekocht. Letzteres ist gerade die Kunst, warum ein Mann die Frau heiratet oder nicht. Für die Semmelknödel haben die Erdäpfel natürlich keine Gültigkeit.

Dann ist die Predigt doch aus. […] Der Zellnerferdl zwickt den Polomyslfranz in den Hintern, der Weihwasserwedel spritzt seinen Segen unter die Leute, und auf einmal ist die Kirche aus. Der Sonntag ist schön. Man muß Gott danken, daß er ihn gemacht und mit großen Vorteilen gesegnet hat.

Zu Josef Holub und seinen Büchern vgl. auch

„Josef und seine Freunde“

Josef und seine Freunde

 

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