Totenmahl am Grab: Das Fest „Kathedra Petri“ (22. Februar)

Am 22. Februar wird in der katholischen Kirche das Fest der „Kathedra Petri“ begangen. Ursprünglich steht dieses Fest, das heute auf das Lehramt des heiligen Petrus, des ersten Bischofs von Rom, bezogen wird, im Zusammenhang eines Totenmahls.

Das religiöse Totengedächtnis ist auf die Erinnerung der Lebenden angewiesen. „Die ursprünglichste und meistverbreitete Form sozialer Erinnerung, die Lebende und Tote miteinander verbindet, ist der Totenkult. Im alten Ägypten, wo die Totenmemoria, die Verewigung individueller Namen, im Zentrum kultureller Anstrengungen stand, wurde alljährlich das ‚Schöne Fest vom Wüstental‘ gefeiert, bei dem die Familien (wie übrigens im arabischen Ägypten auch heute noch) zu den Gräbern ihrer Angehörigen zogen, um dort in der Gegenwart der Toten und in Gemeinschaft mit ihnen ein festliches Mahl zu begehen. Essen und Trinken ist die Elementarform der Gemeinschaftsbildung, am Grab wird sie zur rituellen Vereinigung der Lebenden mit den Toten“ (Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 2003, 33).

Diese Institution des Totenmahls war in der Antike, auch in der römischen und frühchristlichen Welt, selbstverständlich. Das Mahl wurde griechisch perideipnon, Tafelrunde, bezeichnet, lateinisch refrigerium, Erfrischung. Der Verstorbene, der dem Glauben und der Vorstellung vieler Menschen nach ein dem irdischen Leben ähnliches Dasein weiter in der Nähe des Grabes führt, wurde dabei als Teilnehmer verstanden, für den ein Platz freigehalten wurde. Diese Mähler fanden meist gegen Abend statt; man kam zum Grab, brachte Speisen und Getränke samt Bechern und Teller mit; das Gedenken und anschließende Mahl wurde am Grab selbst oder in der Nähe, eventuell auch unter freiem Himmel abgehalten.

Sofern Bänke vorhanden waren (wie man sie heute noch auf vielen russischen Friedhöfen sehen kann), hat man es im Sitzen gehalten, möglicherweise hat man auch Stühle und Tischchen mitgebracht. Ein wichtiger Zeitraum für diese Form des Totenkultes waren die Tage vom 13. bis 22. Februar, an denen man das Jahresgedächtnis der Verstorbenen beging. Vor allem am Schlusstag fand eine Versammlung möglichst aller Verwandten statt, um beim Mahl die Toten zu ehren. Dieser Tag wurde unter christlichem Einfluss zum Fest Kathedra Petri umgewidmet und erscheint bereits im 4. Jahrhundert in der „Depositio martyrum“, wobei der Begriff der Kathedra (Stuhl) noch weiterhin auf den alten Mahlbrauch des freigehaltenen Stuhls hinweist. Leider wird er heute in Verkennung dieses Zusammenhangs in Gottesdiensten geradezu symptomatisch auf das „Lehramt“ des Petrusnachfolgers hin ausgelegt.

 

Mahl und Totengedächtnis in christlicher Vielfalt
Bei den Orthodoxen ist die Bereitstellung von Speisen im Totengedächtnisgottesdienst üblich: die Koliva, eine oft kunstvoll verzierte Speise voller Lebenskraft, die während des Totengottesdienstes in der Kirche zum Segen auf Tischchen gestellt wird. Zum Gedenken der Verstorbenen stecken die Gläubigen brennende Kerzen in sie hinein. Nach dem Gottesdienst wird die Koliva an die Kirchgänger verteilt, die sie zu Hause, aber auch im Anschluss an den Gottesdienst in oder vor der Kirche verspeisen können.

Ein Essen und Trinken am Grab gibt es in vielen Ländern immer noch (so in Mexiko an Allerseelen, an dem ein fröhliches Picknick auf den Friedhöfen stattfindet). In der mitteleuropäischen Kultur ist das eher ungewöhnlich, hier gibt es andere Formen des Mahls im Zusammenhang des Todes. Man mag in erster Linie an den „Leichenschmaus“ denken, der sich vielerorts dem Begräbnis anschließt. Allerdings knüpft er eher an das alttestamentliche Trost- und Trauermahl für die Hinterbliebenen an und wurde mit der Zeit säkularisiert.

Die Umwandlung dieses nach der Bestattung stattfindenden Essens oder Kaffeetrinkens in eine Agape und damit die engere Verbindung mit der Liturgie der Kirche hatte schon der frühere Münsteraner Liturgiewissenschaftler Klemens Richter vorgeschlagen. Die Agape ist über den Gedanken der Mahlgemeinschaft mit dem Verstorbenen hinaus auch auf Tröstung der trauernden Hinterbliebenen hin ausgerichtet und damit ein Ausdruck der Liebe seitens der Gemeinde. In der Form des „Liebesmahls“, das nach der Bestattung eines Gemeindemitglieds stattfindet, findet man diese Idee bis heute in der Herrnhuter Brüdergemeine verwirklicht: Insofern das ganze Leben des Gläubigen von der Gemeinde getragen ist, wird zum Liebesmahl auch seitens der Gemeine eingeladen. Das Liebesmahl kann auch im „Gemeinesaal“ stattfinden, aber auch in anderen Räumen außerhalb des gottesdienstlichen Raumes.

Die Verbindung von Mahl und Gottesdienst ist vielfältig. Das Totengedächtnis ist nur ein kleines Beispiel. Ein Blick in die Geschichte, aber auch auf andere christliche Kirchen und Gemeinschaften der Gegenwart zeigt, wie sinnenfällig  man eine christliche Mahlkultur auch im Zusammenhang der Liturgie zum Ausdruck bringen kann. Gastlichkeit und sinnenhaftes Feiern können dabei auf unterschiedlichste Weise spürbar werden – im Gottesdienst selbst, aber auch in seinem unmittelbaren Zusammenhang.

Die Abbildungen wurden dem Buch entnommen:

Guido Fuchs, Ma(h)l anders. Essen und Trinken in Gottesdienst und Kirchenraum, Verlag Friedrich Pustet 2014.

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