Martin Ebner (Hg.) | Herrenmahl und Gruppenidentität

Martin Ebner (Hg.)
Herrenmahl und Gruppenidentität
(Quaestiones disputatae 221)

Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2007
kt., 296 S., EUR (D) 29,90
ISBN 978-3-451-02221-0

Gemeinsames Essen verbindet und grenzt gleichzeitig ab. Gruppenidentität entsteht über das Beisammensein bei Tisch, die Art und Weise des Essens, das Essen selbst – und vieles andere bei Tisch mehr. Zugleich hebt man sich darin von anderen Gruppen ab. Diese Erfahrung machen bereits Kinder, wenn sie in einer anderen Familie mitessen und das dortige Zeremoniell bzw. die Speisenfolge so ganz anders als gewohnt erleben. Was von Familie zu Familie unterscheidet bzw. Gemeinschaften zusammenhält, ist auch in großen Gruppen erfahrbar. Auf der kirchlich-religiösen Ebene betrifft das etwa die Unterscheidung zwischen Messe und Abendmahl, die sich beide auf das urchristliche Herrenmahl zurückführen lassen, und die Frage nach dem „Gemeinsam essen“.

Das vorliegende Buch beleuchtet die Frage von Gruppenidentität und Herrenmahl vor dem Hintergrund der antiken Mahlkultur, vor deren Hintergrund das Mahlhalten Jesu und seiner Anhänger gesehen werden muss. Das festliche Mahl der Antike ist geradezu eine kulturelle Institution und findet fast überall nach sehr ähnlichen Grundkonstitutenten statt. Die urchristliche Mahlfeier nimmt manches davon auf, grenzt sich zugleich ab (um das auszudrücken, was die christliche Gruppe vor anderen auszeichnet) und trägt zur Identität der Christen unverwechselbar bei. Die von Jesus praktizierte und angestiftete Mahlgemeinschaft ist ein Ausdruck des Entwurfs einer Gegengesellschaft, die vom Reich-Gottes-Gedanken durchdrungen ist. Dies ist nicht nur in den Anfängen des Herrenmahls spürbar, sondern auch in der Geschichte des Abendmahls bzw. der Eucharistie.

Maßgeblich ist aber nicht eine bestimmte Form des Mahles, sondern das, was Jesus letztlich damit ausdrücken wollte; seine Hingabe („ich bin nicht gekommen, bedient zu werden, sondern zu dienen“), die sich auch in der sozialen Realität beim Mahl ausdrückt. Dies gilt es unter den jeweiligen sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen umzusetzen und zu aktualisieren. So finden sich in der Geschichte des Herrenmahles nicht nur Abgrenzungen gegenüber nichtchristlichen Mahlformen, sondern auch unterschiedliche Vorstellungen der „richtigen“ Feier des Herrenmahls, die Ausdruck einer Vernetzung mit der jeweilig veränderten sozialen und gesellschaftlichen Situation sind.

Vor diesem Hintergrund lassen sich hinsichtlich der heutigen Auseinandersetzung und bei Gesprächen um Trennendes und Gemeinsames beim Herrenmahl durchaus provozierende Fragen stellen; dies geschieht in diesem Buch auch, und sie entsprechen letztlich der Intention dieser Reihe „Quaestiones disputatae“ voll und ganz. Das Buch ist eine Zusammenstellung verschiedener Beiträge eines Symposions 2006 in Münster, das wiederum in Zusammenhang stand mit dem DFG-Forschungsprojekt „Herrenmahl und Gruppenidentität“ am Seminar für Exegese des Neuen Testaments der Universität Münster. Es ist in vier Teile gegliedert: 1) Standortbestimmungen aus systematisch-theologischer und soziologischer Sicht; 2) Exegetische Grundlagen; 3) Historische Entwicklungen) 4) Analyse momentaner Praxis; ein Ausblick des Herausgebers und ein Sachregister schließen es ab.

Es ist ein Buch, das mit einer genauen Wahrnehmung der Vorgänge und Strukturen beim Mahl Anstöße zu Lösungsstrategien der ins Stocken geratenen Konsensökumene geben kann.

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