Agathabrot und Blasiussegen – Kirchliche Bräuche, kritisch betrachtet
An vielen Heiligenfesten werden alte (und neue) Bräuche gepflegt, die oftmals direkt oder indirekt an der Lebensbeschreibung des Heiligen anknüpfen. Dass gewisse Herleitungen, die immer wieder genannt werden, durchaus problematisch sind, soll an zwei Beobachtungen, die an „Februar-Bräuchen“ gemacht werden können, aufgezeigt werden.
Agatha: Brotbräuche
Am 5. Februar, dem Gedenktag der heiligen Agatha, kann Brot gesegnet werden, wie es auch im Buch der Segnungen, dem Benediktionale (S. 82), vorgesehen ist, das so genannte Agathabrot. Auch mit dem 2. und 3. Februar haben sich früher Brotbräuche verbunden; das lag vor allem an der Bedeutung des Lichtmesstages („Darstellung des Herrn“) im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzwechsel; das Brot, das man aus diesem Anlass mit an die neue Stelle nahm, wurde „Heimweh- oder Gewöhnbrot“ genannt. Heute spielt es freilich kaum noch eine Rolle.
Warum aber wird Brot am Agathatag gesegnet? Dazu werden mehrere Erklärungen gegeben:
1. Es ist ebenfalls ein Brot im Zusammenhang des Antretens einer neuen Stelle nach dem Lichtmesstag.
2. Die Heilige hat ihre Heimatstadt Catania vor Pest und Hungersnot bewahrt.
3. Sie wird gegen Brustkrankheiten angerufen, deshalb gab es Brot in Form von Brüsten.
4. Nach ihrem Tod, am Tag vor ihrem Geburtstag, brach der Ätna aus; der Lava trug man ihren Schleier entgegen und brachte sie so zum Stillstand. Daher wurde das an ihrem Tag geweihte Brot bei Feuergefahr in die Flammen geworfen.
Missdeutung
Sehr viel wahrscheinlicher als diese Erklärungen scheint zu sein, dass es sich bei diesem Brotbrauch um eine Aus- bzw. Missdeutung ihrer Darstellung handelt. Die heilige Agatha erlitt auf Sizilien den Martertod in der Mitte des 3. Jahrhunderts unter Kaiser Decius. Als sie unter der Folter dem christlichen Glauben nicht abschwor, schnitt man ihr die Brüste ab. Mit diesen abgeschnittenen Brüsten als Attribut wurde sie daher auch oft dargestellt; bisweilen trägt sie diese, wie Brote auf einem Tablett liegend, vor sich her (vgl. Lexikon der christlichen Ikonographie 5,46).
Tatsächlich handelt es sich dort, wo der Brauch des gesegneten Agathabrotes noch lebendig ist – z . B. in der Schweiz– , nicht selten um Gebäckstücke in Form von weiblichen Brüsten.
Welche Erklärung man auch immer für den Hintergrund des Brauches einer Brotsegnung an ihrem Gedenktag heranzieht, recht befriedigen kann heute eigentlich keine. Vor allem vor dem letztgenannten wahrscheinlichen Hintergrund wird der Brauch zurecht kritisiert:
„Die Heiligenlegende erzählt von der Folter der Hl. Agatha im dritten Jahrhundert. Sexuelle Gewalt an einer Frau im übelsten Ausmaß, unvorstellbar, abstoßend und widerlich. Aber weil es eine Heiligenlegende ist, kann diese Gewalt fast unhinterfragt dargestellt werden. Tatsächlich sind die Agatha-Brötchen oftmals geformt wie die Brüste einer jungen Frau. […] Umso mehr war ich entsetzt darüber, dass diese Tradition nun in meiner Stadt plötzlich eingeführt werden sollte. Ich habe dem Pfarrer einen Brief geschrieben und zu verdeutlichen versucht, welche Wirkungsgeschichte er damit fortsetzt. Man kann eine solche Tradition, wo sie denn noch Praxis ist, historisierend einordnen und muss gleichzeitig kritisch hinterfragen, ob sie fortgeführt werden kann. Das eine ist die erlittene Folter einer Märtyrerin der frühen Kirche, deren Grausamkeit nicht beschönigt werden soll. Das andere aber ist eine frauenverachtende und sexuelle Gewalt verherrlichende Tradition, die ohne jedes Nachdenken, ohne jede Sensibilität einfach weitergeführt oder gar neu eingeführt wird. In einer Zeit, wo wir endlich begreifen, welches Unheil sexuelle Gewalt anrichtet, halte ich solches Tun für nicht tolerabel. Ganz abgesehen von all dem denke ich auch an die Frauen, denen aufgrund einer Krebserkrankung ihre Brust abgenommen wurde und die an solch einem Gottesdienst teilnehmen. Wie Seelen-verstörend mag da das Agatha-Brot wirken?“
https://bewegen-kdfb.de/abstruse-traditionen-aktiv-beenden-agatha-brot/
Deshalb sollte man überlegen, ob es sinnvoll ist, sie heute überhaupt noch zu praktizieren. Wäre es nicht besser, den guten Brauch einer Brotsegnung – auch im Sinne einer Eulogie (gesegnetes, am Ende des Gottesdienstes verteiltes Brot, das eine Erinnerung an das christliche Agape-Mahl darstellt und eine Brücke zum Alltagsmahl schlägt) – an solchen Tagen zu vollziehen, an denen das Brot wesentlich im Leben und Handeln der Heiligen verankert ist?
Blasius – „Patron der Fischfreunde“?
Irgendwann wird eben auch der Brauch zur bloßen Spielerei und verliert seine letzten Bezüge zum Ausdruck geglaubten Lebens im Alltag. Das trifft auch auf ein katholisches Kochbuch zu (Kloster Andechs Kochbuch), das den heiligen Blasius (3. Februar) kurzerhand zum Patron der Fischfreunde erklärt. Nach der Legende habe der Heilige im Gefängnis einen Jungen vor dem Erstickungstod errettet, indem er ihn von einer steckengebliebenen Fischgräte im Hals befreite. Wegen dieser Tat am 3. Februar, dem Gedenktag des Heiligen, leckere Fischgerichte auf den Tisch zu bringen (wie es dann wohl auch in den entsprechenden Lokalen geschieht): An solch einer Herleitung hätte auch der heilige Blasius schwer zu schlucken.
A propos schlucken: Auf dem Rundfunksender WDR3 kam in den Nachrichten (!) am 7. 2. 2021 die Meldung, dass eine katholische Gemeinde an diesem Tag einen Gottesdienst mit Blasiussegen „zum Abholen“ anbietet. Es ein Drive-in-Gottesdienst im Freien; ähnlich wie beim Schnellimbiss-Drive-in fährt man mit dem Auto und geöffnetem Fenster am Priester vorbei und holt sich – wie am Schalter – den Segen ab … Guido Fuchs