„Angehobene Maigaudi“?

Was vom Inhalt der Feste Christi Himmelfahrt und Pfingsten bleibt

Die 50tägige Osterzeit wird durch zwei Feiertage geprägt und auch strukturiert, die durchaus im allgemeinen Bewußtsein stehen, auch wenn sie nicht nur kirchlich begangen werden: Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Beide gehören nach den Drei österlichen Tagen und noch vor Weihnachten zu den größten Festen des Kalenders, sie spielen auch für die Wirtschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Deutschland kommt zum Pfingstsonntag noch der -montag hinzu. Erst dieser Pfingstmontag jedoch macht Pfingsten zu einem – zumindest aus Arbeitnehmersicht – lohnenden Feiertag, weil er den Sonntag, auf den Pfingsten grundsätzlich als 50. Tag nach Ostern fällt, sowie das Wochenende um einen Tag verlängert. Auch bietet sich dadurch etwa schon ein kleiner Kurzurlaub an… Woher aber stammt dieser Pfingstmontag, der als gebotener Feiertag nicht überall üblich ist?

PfingsttageSeinen Ursprung hat dieser Tag der Nachfeier des Pfingstfestes in einer Oktav, einer achttägigen Nachfeier, wie sie neben Pfingsten früher (und noch heute) u.a. auch Weihnachten und Ostern besaßen. Die achttägige Feier von Pfingsten erwähnen erstmals die sog. Apostolischen Konstitutionen (5,20). Eine solche Nachfeier, Oktav, schloss zunächst an allen Tagen knechtliche Arbeit aus, wie es die Synode von Macôn (in Bezug auf die Osteroktav) schon sagte und wie es auch die Synode von Mainz aus dem Jahr 813 in Hinblick auf die Pfingstoktav wiederholte (Can. 37): „Omnes dies dominicos cum omni veneratione decrevimus observari, et a servili opere abstinere: et ut mercatus in eis minimes sit, nec placitum, ubi aliquis ad mortem vel ad poenam judicetur“).

Diese wirtschaftlich nicht haltbare Situation wurde schon bald eingeschränkt; die Ingelheimer Synode von 948 behielt zwar weiter die Osteroktav bei, beschränkte die Arbeitsruhe an Pfingsten aber auf vier Tage (Can. 6). Die Konstanzer Synode von 1043 hat die arbeitsfreie Festzeit dann auf drei Tage reduziert (Ca. 3). Es blieben somit als „Pfingst-Feiertage“ der Sonntag, Montag und Dienstag.

Vor allem wirtschaftliche Zwänge waren es, die hinsichtlich der großen Zahl von Feiertagen im Laufe der Zeit weitere Einschränkungen nötig machten. Papst Urban VIII. (1623–1644) führte in seiner Bulle „Universa per orbem“ u. a. aus, dass die armen Leute klagten, nicht mehr genug Arbeitszeit zu haben für die Gewinnung ihres Lebensunterhaltes. Allerdings beließ er viele Feiertage, unter anderem „Pentecostes cum duabis sequentibs feriis“ (Pfingsten und die beiden folgenden Tage). Erst im 18. Jahrhundert wurden – in einzelnen Ländern und in Absprache mit den jeweiligen Regierungen unterschiedlich – weitere Feiertage gestrichen, darunter auch die „dritten“ Feiertage von Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

Ein letzte Stufe der Reduzierung war dann 1911 mit dem Motu proprio Pius’ X. „Supremi disciplinae“ erreicht, nach dem auch die „zweiten Feiertage“ von Weihnachten, Ostern und Pfingsten der Streichung zum Opfer fielen. Die preußischen Bischöfe, denen sich andere deutsche Bischöfe anschlossen, wandten sich darauf an den Heiligen Stuhl mit der Bitte um Beibehaltung einiger weiterer Feiertage. Durch Reskript vom 21. November 1911 wurde ihnen u.a. dann auch die Beibehaltung des Stephanustages (26. 12.), des Oster- und Pfingstmontags als Sonderregelung genehmigt. Die von Pius X. 1911 allgemein getroffene Regelung wurde durch das 1917 in Kraft getretene neue kirchliche Gesetzbuch weitgehend bestätigt (CIC can. 1247); um die inzwischen als Ausnahme gewährte, geltende Feiertagsordnung jedoch aufrechterhalten zu können, reichten die deutschen Bischöfe eine Supplik nach Rom ein, wo sie um Beibehaltung der 1911 zugestandenen zweiten Feiertage an Weihnachten, Ostern und Pfingsten nachsuchten. Diesem Gesuch wurde noch im selben Jahr stattgegeben. Durch staatliches Gesetz von 1934 wurden diese auch als bürgerliche Feiertage anerkannt.

Das neue kirchliche Gesetzbuch der katholischen Kirche von 1983 übernahm, was die „zweiten Feiertage“ anbelangt, die Regelung des alten CIC von 1917: Weder der Stephanustag, noch Oster- und Pfingstmontag sind – gesamtkirchlich gesehen – Feiertage. Beibehalten blieb aber ebenfalls die für Deutschland, Österreich (und einige Schweizer Kantone) geltende Ausnahme, dass hier diese Tage als Feiertage gelten und so begangen werden.

In den evangelischen Kirchen verlief die Reduktion der Feiertage parallel zu den Vorgängen in der katholischen Kirche. Luther selbst hatte sich zunächst gegen die überkommenen Feiertage der katholischen Kirche ausgesprochen, später seine Meinung revidiert. Auch die lutherischen Landeskirchen behielten lange Zeit im wesentlichen dieselben Feste wie die Katholiken bei. Eine erste größere Reduzierung im Jahr 1754 in Preußen beließ jedoch die drei Feiertage jeweils an Weihnachten, Ostern und Pfingsten unangetastet. 1773 aber wurden die „dritten Feiertage“ partiell abgeschafft, weil die Gefahr bestand, „dass die allerwenigensten Menschen diese Tage dem Nachdenken über ihre Pflichten und der Religion widmen, sondern dieselben vielmehr in unchristlichem Müßiggang und öfters in Üppigkeit und Schwelgerei zubringen“. Auffällig ist, dass diese Reduzierung im evangelischen Bereich meist derjenigen in der katholischen Kirche folgte. Eine weitere Reduzierung im Gefolge der drei großen Feste gab es jedoch nicht, so daß die Katholiken durch das Motuproprio Pius’ X. sowie durch den CIC 1917 und die darin jeweils festgelegte Streichung der zweiten Feiertage plötzlich in Hintertreffen gerieten. Dieser Nachteil wurde, wie oben gezeigt, durch Einsatz der Bischöfe „wettgemacht“. (Vgl. zu dieser geschichtlichen Entwicklung Johannes Linneborn, Die katholischen Feiertage in Preußen, in: ThGl 23 [1931] sowie der., Aus dem Feiertagsrecht in Preußen, ebd.).

Die Beibehaltung des Pfingstmontags in Deutschland als 51. Tag über die 50-tägige Zeit der Pentekoste hinaus blieb nach der Liturgiereform der katholischen Kirche nicht ohne Kritik. Aber so recht in das Blickfeld geriet dieser Tag erst wieder durch die Diskussion um die Finanzierung der Pflegeversicherung in Deutschland zu Beginn der 1990er-Jahre. Als Feiertags-Opfer bot er sich geradezu an – man hatte nicht viel Auswahl, da es sich laut Pflegeversicherungsgesetz § 54a Abs. 2 um einen beweglichen Feiertag an einem Wochentag handeln musste. Auch schien manchen Theologen der Pfingstmontag gerade recht, da er ja ohnehin nicht (mehr) in das theologisch geschlossene Konzept der 50tägigen Osterzeit und dem Abschluss derselben mit dem Pfingstsonntag zu passen schien.

Es gab aber auch Stimmen, die sich vehement für eine Beibehaltung dieses Feiertages aussprachen. Theodor Maas-Ewerd z. B. hat ein flammendes Plädoyer für die Beibehaltung geschrieben: Der Pfingstmontag ist für ihn eine „Stütze für die öffentliche Bedeutung des Hochfestes ‘Pfingsten’.“ Gerade die „Zweiten Feiertage“ repräsentieren in konzentrierter Form, was die ursprüngliche Oktav gewollt hat. Die noch verbliebenen Oktaven an Weihnachten und Ostern stünden ohnedies auch für die meisten Katholiken nur auf dem Papier und haben keinen rechten Sitz im Leben. Darüber hinaus habe der Pfingstmontag als gemeinschaftlicher und öffentlicher Feiertag einen klaren Vorteil gegenüber dem tariflichen Urlaubstag eines einzelnen Menschen. Pfingstsonntag und -montag bilden eine „Festtagseinheit“, mit ihnen seien schließlich auch wertvolle Traditionen verknüpft (Th. Maas-Ewerd, Auf den Pfingstmontag nicht verzichten! Ein kirchlicher Feiertag in der Diskussion, in: Klerusblatt 72 [1992]).

Letztlich fiel der Pfingstmontag dann doch der Streichung nicht zum Opfer; vierzehn von 16 Bundesländern votierten dafür, ihn als Feiertag zu erhalten; der rein evangelischen Buß- und Bettag hingegen entfiel zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung. Lediglich Baden-Württemberg, evangelisch-pietistisch geprägt, scherte aus der Reihe und strich statt dessen zunächst den Pfingstmontag.xv Dass diese Streichung 1995 zurückgenommen wurde, lag möglicherweise auch an der starken Lobby des Gaststättenverbandes. Die „Streichung des Pfingstmontags ist weder familien- noch kirchen-, noch wirtschaftsfreundlich. Sie bringt das deutsche Vereinswesen durcheinander, sie nimmt der Dienstleistungswirtschaft mehr als die Produktionswirtschaft bringt. Und die Kirchen werden endgültig um eines ihrer größten Hochfeste gebracht, da alle Veranstaltungen um Pfingsten herum, dort, wo am Pfingstmontag gearbeitet wird, künftig voll zu Lasten des Pfingstsonntags gehen werden. Von Pfingsten wird dann endgültig nicht viel mehr bleiben als eine etwas angehobene Maigaudi“ (Farce. Zum Kompensationstheater Pflegeversicherung, in: Herderkorrespondenz 49 [1995]).

Pfingst-Tafelrunde

Im Hochmittelalter war es mancherorts Brauch, zu Pfingsten bzw. an den Tagen danach Reiterspiele durchzuführen, Kampfturniere, die auch als „Tafelrunden“ (table ronde) bezeichnet wurden. Sie hatten keinen direkten Bezug zum Pfingsttag und seinem Festinhalt, kamen aber wohl aus dem Brauch und Erleben der Hofhaltung und Heerschau, die im Mittelalter mit dem Pfingsttag verbunden waren.

„Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen… Nobel, der König, versammelt dem Hof, und seine Vasallen / Eilen gerufen herbei mit großem Gepränge; da kommen / Viele stolze Gesellen von allen Seiten und Enden… / Denn der König gedenkt mit allen seinen Baronen / Hof zu halten in Feier und Pracht…“ (Goethe, Reinecke Fuchs)

Diese Hofhaltungen und Heerschauen waren ursprünglich am 1. Mai veranstaltet worden (vgl. „Maifeld“, „Maigraf, „Mairitt“), seit dem 12. Jahrhundert dann auf das Pfingstfest verlegt worden, nicht zuletzt mit der biblischen Begründung, dass nach dem Pfingstbericht der Apostelgeschichte „Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“ versammelt waren (Agp 2,5). Pfingsten bildete darüber hinaus „von der Jahreszeit als auch vom Grundcharakter des Festes her den idealen Zeitpunkt für Großveranstaltungen. Deswegen wurden auf Pfingsten gern auch religiöse Großspiele anberaumt.“ Zu diesen Heerschauen und Hofhaltungen wurden auch Reiterspiele, „mensae rotundae“ veranstaltet. Da diese Tafelrunden, bei denen die Männer mit (stumpfen) Waffen gegeneinander kämpften, nicht ungefährlich waren, wurden sie seitens der Kirche verboten und gerieten mit der Zeit ins Abseits bzw. in den Fasnachtsbrauch, wo sie gleichsam im Spottkleid weiterlebten (D.-R. Moser, Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf, Graz u.a. 1993).

An diesen ganz alten, inzwischen längst nicht mehr geübten Pfingstbrauch erinnern –wohl mehr unbewusst als bewusst – einige Anzeigen zur Pfingstzeit. So in einer Spirituosen-Anzeige, in der „Fürst Bismarck“ zur Pfingstrunde lädt. Da ja inzwischen Gleichberechtigung herrscht, dürfen auch die Damen ihre eigeneTafelrunde halten – ein Pfingst-Kaffeekränzchen… Und weil mit der „Tafel“ heute kaum mehr die „Tafelrunde“ des König Artus in Verbindung gebracht wird, sondern allenfalls der reich gedeckte Tisch zum Festtag, lädt in einer anderen Anzeige „König Spargel zur Pfingst-Tafel“.

Was vom Inhalt bleibt

Während an manchen Tagen und zu bestimmten Zeiten (z.B. Weihnachten, Ostern, Martin, Advent, Fastenzeit) auch über die Anzeigen noch Inhalte oder zumindest Motive des Festes bzw. der Festzeit transportiert werden, ist diesbezüglich für Christi Himmelfahrt und Pfingsten Fehlanzeige zu vermelden. Mit Himmelfahrt verbindet sich allenfalls auch in der Motivik der „Vatertag“ mit den entsprechenden Assecoires (Bier, Grill, Hut und Stock). Pfingsten ist in den Anzeigen durch Blumen gekennzeichnet, wodurch das Fest des Heiligen Geistes als Sommerfest, als das „liebliche Fest“ charakterisiert wird, zu dem man bevorzugt ins Grüne zieht. Woher kommt die „Inhaltslosigkeit“?

SpargelzeitNatürlich sind es zwei Feste, die von ihrem theologischen Gehalt auch nur schwer zu fassen sind und sich auch in der Volksfrömmigkeit nicht so im Vordergrund plazieren konnten wie vergleichsweise Weihnachten. Beide Feste hatten auch – außer zu den oben genannten – keine bestimmten Speisen oder Essbräuche mit sich geführt, womit ja an diesen Tagen nicht selten geworben wird (Lebkuchen, Gans, Lamm, Fisch, Ei u.a.)  Der stete Hinweis auf Spargel an Himmelfahrt und Pfingsten in den Anzeigen hat seinen Grund im Zusammenfallen der beiden Feste mit der Spargelsaison). Auch fehlt vielleicht beiden Festen die „Dinglichkeit“, sie erscheinen möglicherweise als zu vergeistigt – die Anzeigen stellen interessanterweise einen Spiegel dessen dar. Auf die Art und Weise freilich wird Pfingsten wieder zu einer Art Naturfest, wie es das ihm zugrundeliegende Schawuot zunächst auch war.

Vielleicht hat also der Schriftsteller Walter Kempowski recht, der sich über den Pfingsttag im Vergleich mit Ostern und Weihnachten seine eigenen Gedanken machte: „Gleich nach Weihnachten ziehen Osterhasen aus Schokolade, Marzipan oder Fondant, aus Pappe mit abdrehbarem Kopf armeenweise in die Kaufhäuser ein. Wem das gelänge, für Pfingsten etwas Ähnliches zu erfinden, etwas Merkantilisierbares, der würde sich große Verdienste erwerben, der würde ein Fest retten, das früher zu den herrlichsten gehörte. Wer heute einen Konfirmanden nach der Bedeutung des Pfingstfestes fragt, bekommt kaum eine befriedigende Antwort“ (Deutsche Familienfeste, in: ZEIT-Magazin 53/1987).

 

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